Wir sind nun glücklich und gesund auf den Kapverden eingetroffen. Unterwegs hatte ich Gelegenheit die vergangenen Monate, die Zeit der Vorbereitung für diesen Törn, Revue passieren zu lassen. Eigentlich begann dieser Abschnitt schon im Jahr 2021 als wir uns entschlossen, die Atlantiküberquerung um 1 Jahr zu verschieben. Dennoch machten wir 4, Jens, Roy, Uwe und ich, damals noch einen Probetörn zur Übung unserer Fähigkeiten. Dies fand im Dezember statt und wir hatten kaum Wind für unsere praktischen Übungen. Daher wurde beschlossen in 2022 intensiver gemeinsame Fahrten zu machen, bei mehr Wind in den Sommermonaten.
Aus verschiedensten Gründen (Turboschaden bei Avalon, berufliche Aspekte usw) wurde aus diesen Vorhaben so gut wie nichts. Erst im November schafften wir es wieder 10 Tage auf den Kanaren zu segeln, leider wieder mit wenig Wind wie im Vorjahr. Dafür waren wir sehr aktiv mit unserem Stammtisch im italienischen Restaurant Sasso oder bei uns privat. Dabei wurde viel Theorie gemacht, To do Listen erstellt und abgearbeitet aber auch ein Medizinlehrabend mit Phil. Wunden (Bananen) nähen und Infusionen legen waren dabei die Highlights.
Die Organisation solch eines Unternehmens, wie wir es vorhaben, umfasst ja nicht nur die Qualifizierung der Mannschaft. Obwohl Avalon relativ jung ist, muss auch auf unserem Boot einiges gewartet und erneuert werden. Auch ist die Ausrüstung um einige wichtige Dinge zu ergänzen. Unsere Planung sieht vor, dass nachdem die Männercrew Mitte Februar 2023 wieder von Martinique nach Hause fliegt, Steffi in die Karibik kommt und wir gemeinsam bis Mitte 2024 für einen längeren Zeitraum nicht nach Deutschland zurückkehren. Daher muss auch zuhause vieles organisiert und geordnet werden. Das alles ist uns schon länger bewusst, dennoch wird zum Schluss die Zeit mehr als knapp. Auf den letzten Metern kamen dann noch einige Rückschläge dazu. Auf dem letzten Übungstörn im November stellte sich heraus, dass Roy zu unser aller Bedauern aus gesundheitlichen Gründen nicht am Transatlantiktörn teilnehmen kann. Unsere Rettungsinsel sollte auf den Kanaren gewartet werden. Dies war aus schwer nachvollziehbaren Gründen leider nicht möglich. Also musste auf die Schnelle Ersatz besorgt werden. 4 Tage vor der Abfahrt kam dann eine neue Rettungsinsel an, allerdings passte die nicht in den dafür vorgesehenden Platz in der Backskiste. Also heißt es wieder basteln. Gebastelt haben wir bis zum letzten Augenblick an unterschiedlichsten Dingen und Problemen. Aber seit Uwe und ich segeln begleitet uns das ständig.
Als wir verbliebenen 3 am 27.12. in Rubicon ankamen (Roy hatte uns lobenswerter Weise zum Flughafen nach Amsterdam gebracht), war eine stressige Zeit mit im Gepäck. Aber auch die verbleibenden 5 Tage waren gespickt mit Arbeit, so musste eine Waschmaschine eingebaut werden, der Motor neu justiert werden, das Unterwasserschiff inspiziert und gesäubert werden und und und….
Unsere Freunde in der Marina, Gerd und Claude sowie Nadja und Klaus unterstützten uns wo es ging. Sylvester feierten wir bei einem vorzüglichen Mal zusammen mit Nadja und Klaus im Casa Carlos. Der ursprüngliche Abfahrtstermin 1.1. war nicht zu halten und wäre mangels Wind auch nicht sinnvoll gewesen. So wurde die Abfahrt auf Montag 12 Uhr terminiert. Pünktlich waren die Freunde zur Stelle und brachten uns ein tolles Abschiedsständchen (selber getextet) und Abschiedsbiere. Leider versäumten wir es, Gerd entsprechend zu verabschieden. Alle anderen sehen wir in ein paar Tagen ja hoffentlich wieder. Mit maritimer Musik verließen wir unseren Liegeplatz und unsere Freunde liefen winkend noch ein Stück mit. Einige Passanten ließen sich davon anstecken und so bekamen wir einen schönen und emotionalen Abschied von unserer 3 jährigen Heimat auf den Kanaren, die Marina Rubicon.
Bei anfänglich schwachem Wind fahren wir unter Motor bis hinter die Durchfahrt zwischen Fuerteventura und Lanzarote. Wir motoren weiter als der Wind es notwendig macht, weil wir Wasser für unsere leeren Tanks produzieren wollen, das geschieht immer unter Nutzung des Diesels. Dann aber wird nach 3 Stunden der Parasailor gesetzt. Da wir nachts damit nicht unterwegs sein wollen kommt er vor der Dämmerung wieder runter. Wir baumen beide Spibäume aus, um die Nacht über unter Passatbesegelung zu fahren. Nach diesen ganzen ungewohnten und umfangreichen Manövern sind wir alle platt und freuen uns auf das, einen Tag zuvor vorgekochte Essen. Es gibt Spaghetti Bolognese, den Klassiker. Schon bald stellt sich eine stetige Welle von achtern ein, welche Bewegungen an Bord, insbesondere aber die Essenszubereitung erheblich erschwert. Daher sind wir froh, die Bolognese nur noch aufwärmen zu müssen. Je länger wir in dieser Nacht unterwegs sind umso mehr nimmt der Wind zu. Aus anfänglich 10-12 kn Wind werden später 18-20kn und am Folgetag auch 25-28kn Wind. Wir lassen die ganze Zeit die beiden Passatvorsegel (2 Vorsegel werden gleichzeitig am Vorstag gefahren und jeweils mit einem Spibaum zu beiden Seiten ausgestellt) stehen und reffen wenn nötig auf die passende Größe. Damit erzielen wir ordentliche Geschwindigkeiten ohne in Gefahr zu kommen. Das Etmal (Tagesgesamtstrecke) des zweiten Tages von 165sm stimmt uns froh und zuversichtlich auf gutem Kurs zu sein. Ein Nachteil der Passatbesegelung ist, dass man ziemlich direkt vorm Wind fahren muss (also Wind genau von hinten). Um Mindelo, unser Zielhafen auf den Kapverden, direkt anzusteuern müssten 225 Grad anliegen. Wir haben stets 230-255 Grad auf dem Kompass sind aber sicher, die Kurskorrektur in den nächsten Tagen durchführen zu können.
Nach und nach nimmt die Dünung der See stetig zu. Auch ist sie etwas konfus. Somit werden wir an Bord mächtig durchgeschüttelt. Zudem rächt sich, dass wir bei dem Verstauen in den Schränken wenig Sorgfalt an den Tag gelegt haben, was das Klappern betrifft. Somit haben wir die ersten Tage eine sehr laute und unbequeme Fahrt. Schränke neu einrichten, sowie gemütliche Stellungen für Sitzen und Schlafen finden sind die großen Herausforderungen.
Seit Tag 2 hat die Windsteueranlage, wir nennen sie „Winfried“, den Dienst von „Herbert“, unsere elektromechanischen Selbststeueranlage, übernommen. Um es auf den Punkt zu bringen: wir sind total begeistert von Winfried´s Leistung. Ab Tag 3 quietscht es Herz zerreißend, was aber daran liegt, dass die Umlenkblöcke der Steuerseile in den letzten Jahren dem Staub in Rubicon ausgesetzt waren. Eine gründliche Säuberung bringt Erlösung und die Anlage steuert leise, präzise und vor allem ohne Stromverbrauch. Energie könnte auf der Strecke in die Karibik unser Hauptproblem werden, da wir über die Paneele nicht so viel Strom produzieren wie wir verbrauchen. Um nicht täglich den Motor zur Stromproduktion für Stunden laufen zu haben, müssen wir eventuell einen der 2 Kühlschränke ausschalten. Mal sehen.
Am 4. Tag haben wir Bergfest auf unserem Schlag zu den Kapverden. 475 der geplanten 950 Seemeilen sind geschafft. Ich habe seit 2 Tagen eine leichte Erkältung und fühle mich nicht so fit. Zur Erledigung meiner Wachen und anderen Arbeiten reicht die Kondition aber noch. Bei unserem Wachzyklus mit 3 Mann bekommt man genügend Ruhezeiten und Gelegenheit zu schlafen, falls man das bei der Schaukelei hinkriegt. Die schönsten Stunden sind die nach Sonnenaufgang. Sofern man Freiwache hat oder Vertretung der Wache ist kommt man nach oben ins Cockpit und die wärmende Sonne empfängt einen nach der eher kühlen Nacht, in der man passende Kleidung tragen sollte. Dazu kommt von achtern die schäumende See und die Dünung welche unter dem Boot durchläuft mit einem permanenten Rauschen. Der Wind bläht die Passatsegel und wir gurgeln mit über 7kn unserem Ziel entgegen. Da fällt nicht nur einmal jeden Morgen der Satz: Herrlich, ist das nicht geil ?!
Die Kommunikation mit der Heimat funktioniert auch. Die Kurzwellenfunkanlage funktioniert prima und ich kann wie abgesprochen einmal täglich unseren Standort und eine Zustandsmeldung per E-mail nach Haus zu Steffi schicken. Die leitet die Nachricht dann weiter an Iris und Sabine. Auch wir bekommen auf diese Weise Infos aus der Heimat. Für alle Fälle haben wir noch ein Satellitentelefon und einen Garminsender, um im Notfalle Hilfe anzufordern.
Die Stimmung an Bord kann nicht besser sein. Mit den besten Freunden so eine Unternehmung anzugehen ist ein Highlight für sich. Ich hätte nicht den Mut, so was mit Fremden oder auch nur „Bekannten“ anzugehen. Die Harmonie an Bord ist das eigentliche Erlebnis neben der Nähe zur Natur.
Auch am 5. Tag der Fahrt haben wir noch nichts an der Segelstellung geändert, außer hin und wieder etwas zu reffen und später wieder auszureffen, was mit den Passatsegeln ein Kinderspiel ist, zur Not auch von einem Einzelnen gemacht werden kann. Wir gewöhnen uns immer mehr an das Schaukeln und die Bedingungen, dass etwas Leichtsinn aufkommen lässt. Einen Kaffeebecher ohne Sicherung auf dem Tisch stehen lassen, um zu filmen, kann nicht klappen. Somit ist eine Komplettreinigung des Cockpits die Beschäftigung der nächsten Stunde. Für die Unterhaltung an Bord wird hin und wieder Musik aus der Konserve aktiviert. Da unser Geschmack in dieser Hinsicht nicht so unterschiedlich ist, kann von ständigem Grinsen und Mitwippen ausgegangen werden. Unsere tägliche gemeinsame Stunde innerhalb der Wachen ist zwischen 17 und 18 Uhr. Dann wird gekocht und gegessen und das tägliche Highlight, das stark rationierte Bier zu sich genommen. Mehr gibt’s nicht !!!!
Der Wind kommt hin und wieder etwas nördlicher wodurch wir unserem Sollkurs nach Mindelo nahe kommen. Ohne eine andere Segelstellung werden wir es aber nicht schaffen. In der falschen Annahme damit bis zum Sonnenaufgang warten zu können, verpassen wir es, das Manöver bei Tageslicht durchführen zu können. Auch kommen wir, je länger ich warte, in einen immer schlechteren Winkel zum Ziel.
Um 5.30 Uhr morgens geht das Decklicht an, damit wir neben dem Vollmond zusätzliches Licht für die umfangreichen Arbeiten an Deck haben. Die Spibäume müssen weg, die Schoten neu angeschlagen und letztlich das Großsegel gesetzt werden. Dabei verpasse ich klare Ansage zu machen, dass nicht zu viel gesetzt wird. Jetzt haben wir das Problem, am Wind genug Höhe machen zu wollen und dabei zuviel Lage zu schieben. Bei 20kn am Wind hat man 26kn scheinbaren Wind. Und der macht Avalon richtig schnell aber legt sie auch mächtig auf die Seite. Wir knüppeln gegen die Dünung an, da bleibt nicht aus, dass ständig Wellen über das Vordeck gehen oder an der Bordwand aufsteigen und mächtig Wasser über Sprayhood und und Binimi spülen. Soviel Wasser hat Avalon noch nie gesehen. Durch einige gekannte und unbekannte Ritzen kommt Salzwasser ins Boot. Hin und wieder müssen Uwe und ich angeleint nach vorne auf´s Deck, um schlagende Tampen u.ä. zu sichern. Dabei werden wir von dem sehr warmen Wasser geflutet, wenn wir durch die Wellen gehen. Triefend nass wieder im Cockpit ist dann trockene Kleidung gefragt. Nach den ruhigen Tagen zuvor ist das jetzt das totale Kontrastprogramm. Da unser Rollgroßsegel die letzten Male Probleme machte beim Ein- und Ausrollen, scheue ich mich dies nun bei dem starken Wind zu tun, aus Angst das Segel könnte sich verklemmen und wir dann ganz andere Probleme bekämen. Letztlich muss es aber sein. Wir planen das Manöver gründlich und es klappt. Mit nun kleinerem Groß und mehr ausgereffter Fock liegt Avalon besser am Wind und wir können Kurs anlegen auf Mindelo. Gegen 17 Uhr legen wir in der Marina an. Ein spannender, anstrengender und äußerst abwechslungsreicher Tag auf See geht zu Ende. Mit über 980sm in 6 Tagen ist der längste Törn zu Ende, den jeder von uns je gemacht hat. Stolz und happy klatschen wir uns ab und freuen uns auf eine schaukelfreie Nacht.
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Hallo zusammen, ich wollte heute nachfragen, ob es eigentlich die Fernweh-Segeln Seite noch gibt, habe es aber zum Glück vorher einfach ausprobiert. Und siehe da, ich habe genau den richtigen Tag erwischt. Hatte ich gar nicht auf dem Schirm, dass ihr schon los seid. Klingt auch im heimischen Arbeitszimmer super spannend.
Viel Glück in den nächsten Wochen!
Hallo Peter, ja wir sind schon los. Und es ist wirklich aufregend und ein kleines Abenteuer.
Hoffe, ich kann regelmäßiger schreiben, damit ihr zuhause etwas daran teilhaben könnt.
Freue mich, dass du reinschaust. Liebe Grüße an deine Familie.
Bis bald. Sonst kommt doch einfach vorbei ….