Wir schlafen nochmals gut aus, frühstücken, um 11h werden die Leinen eingeholt und die Fender verstaut. Dann geht es raus auf den Atlantik. Der Wind kommt unbeständig über die Insel. Mal ordentliche Böen, die uns beschleunigen, mal fast Flaute. Die Hälfte der Strecke bis zum Ostkap von Sao Miguel muss der Diesel helfen. Dann haben wir für ein paar Stunden Wind auf die Nase, mit dem wir nach Norden von der Idealroute ausweichen. Schon nach 50 Sm kommt die angesagte Flaute des Hochdruckgebietes.
Die nächsten 30 Stunden läuft die Maschine und wir verbrauchen ein Viertel unseres gesamten Dieselvorrates. Endlich kommt dann der Wind aus Südwest in Stärke 4-5 und wir segeln auf Raumschotkurs. An Tag 4 dreht er dann auf nördliche Richtungen. Mit schneller Fahrt geht es nun voran. Mit 500-800Sm Abstand zu Europa geht es auf Höhe Portugals über Spanien und Frankreich Richtung Nordwesten.
Schnell gewöhnen wir uns an den Tagesablauf. Auch die Nachtwachen sind bald nicht mehr belastend. Klaus ist ein erfahrener Segler, was sich schnell an der Selbstverständlichkeit zeigt, wie er die für ihn neuen Gegebenheiten auf Avalon annimmt und fehlerlos seine Aufgaben bewältigt. Dass wir menschlich gut miteinander können, wissen wir von der Zeit auf den Kanaren und der Karibik. Auch der Musikgeschmack ist ähnlich. Oft läuft der MP3-Player. Da wir uns gut mit frischen Lebensmitteln eingedeckt haben, gibt es die erste Woche leckere abwechslungsreiche Gerichte, womit wir uns bei der Zubereitung abwechseln.
Unsere Wetterdaten erhalten wir täglich von Steffi, ein Routing von Wetterwelt und die Gribfiles über das Funkgerät. Damit sind wir gut informiert und finden gute Winde, die uns dem Ziel beständig entgegen bringen. 600 Sm westl. von Bordeaux bis St.Nazaire verbrauchen wir nochmals 100 Liter Diesel, die wir auch gleich aus unseren Ersatzkanistern wieder nachfüllen. Jetzt haben wir nur noch Sprit für weitere 200Sm.
Am 26.8. ist Klaus´ Geburtstag. Somit ist er nach Uwe der zweite Mitsegler, der seinen 66ten Ehrentag an Bord von Avalon auf dem Atlantik feiert. Mitgebrachte Kerzen auf kleinem Kuchen vermitteln ein wenig Feierstimmung.
Eine nette Abwechslung ist die tägliche kleine Funkrunde mit Graham. Ihn und seine Mitsegler hatten wir in Ponta Delgada kennengelernt. Graham war sehr hilfreich bei einigen Reparaturen. Nun sind die drei mit ihrer „Auweia“ (Das vormals deutsche Boot heißt tatsächlich so), einer Ketch auf dem Rückweg nach Tobermory, an der Westküste Schottlands. Bei unseren Chats über Kurzwelle tauschen wir unsere Positionen, Wetterinformationen und besondere Vorkommnisse aus. Sicher werden wir uns in ein paar Jahren mal wiedersehen.
Wind aus südlichen Richtungen bringt uns schließlich gen Osten, der Ile de Quessant an der Nordwestecke der Bretagne entgegen. Um nicht in das Verkehrstrennungsgebiet(VTG) dort zu gelangen, halten wir uns weiter nördlich zwischen Cornwall in England und der französischen Bretagne. Schon im westlichen Teil des Kanals dreht der Wind auf West und wir segeln vor dem Wind. Mal schneller wenn die Tide schiebt, mal eher langsam wenn sie gegen uns steht. Das nächste Ziel ist die Rundung des Kaps vor Cherbourg. Südlich vom dortigen VTG müssen wir relativ nah oberhalb von Alderney vorbei. Mal sehen wie stark die Strömung dort uns hilft oder bremmst.
In Cherbourg füllen wir unsere Dieseltanks wieder auf. Bei den Ersatzkanistern verzichten wir darauf. Nach einem schnellen Café und ´nem Kuchen geht es dann auch schon wieder weiter. Kaum sind wir aus dem Hafen, empfängt uns ein ordentlicher Segelwind. Auf Halbwindkurs bei 20-25kn fliegen wir über den Kanal, der englischen Küste
bei Eastbourne entgegen. Aber auch bei abflauendem Wind kommen wir gut voran und haben im Morgengrauen dann die weißen Kreidefelsen vom Beachy Head und bei Hastings im Blick. Weiter geht es Richtung Dover, wo wir dann in der Wettervorhersage segelbare Konditionen für die Weiterfahrt empfangen. Bis zur Dunkelheit fahren wir noch ein Stück in die Themsemündung weiter, um dann die Verkehrstrennungsgebiet im Kanal zu kreuzen. Der beträchtliche Schiffsverkehr macht dieses Unterfangen zu einem Gedultspiel. Es ist schon schwierig genug Lücken im Verkehr auf den jeweiligen Einbahnstraßen zu finden. Hier, wo auch Schiffe bei Kreuzungspunkten aus den Seitenbereichen kommen, ist die Abschätzung der Situation für die nächsten 15min reine Spekulation. Letztlich schaffen wir das aber und bewegen uns fortan im Trennungsgebiet zwischen den Einbahnstraßen Richtung Nordosten. Da der Wind genau von vorne kommt, ist Segeln nicht möglich. Wir hoffen auf einen Winddreher, der uns nach dem Abbiegen Richtung Rotterdam dann aus nördlichen Richtungen Segelwind bringt.
Wir hoffen vergebens. Die Bedingungen werden sogar noch um einiges schlechter. Wind und Welle nehmen stark zu, sodass wir nur langsam gegen See anstampfen. Ständig kommt viel Wasser über und das Deck wird immer wieder geflutet. Avalon fällt immer wieder in eines der Wellentäler und es gibt heftige Schläge auf den Rumpf, dass das Rigg unter diesen Belastungen scheppert und uns Angst und Bange wird. Die Alternativoption, abfallend nach Seebrügge auszuweichen verwerfen wir, da wir dann viel Zeit verlieren würden und der Heimweg noch weiter wäre. Somit quälen wir uns und das Boot bis in das Lee vor Rotterdam. Die Querung der Einfahrt nach Rotterdam und der kurze Weg bis nach Scheveningen gestaltet sich dann relativ ruhig. Für die nächsten Tage sehen wir nur ähnlich schlechte Wetterbedingungen in der Vorhersage. Deshalb bringen wir Avalon zu einem Liegeplatz, wo sie mehrere Tage auf meine Rückkehr warten kann.
Steffi holt uns mit dem Auto ab. Klaus wird dann in Amsterdam in einen Flixbus gesteckt und fährt zurück nach Paris. Wir aber feiern abends schon auf dem Ellernfest.
Nach einigen Tagen Erholung zuhause geht es dann nach einer Woche wieder nach Scheveningen. Mein Freund Dirk hat sich kurzentschlossen zu mir gesellt und zusammen stechen wir schon am selben Abend gegen 21 Uhr in See. Auf den 210 Sm bis nach Hooksiel haben wir nur etwa 40 Sm die Segel oben zur Fortbewegung. Die meiste Zeit ist der vorherrschende Wind zwar segelbar. Wir wären allerdings so langsam gewesen, dass wir das Hochwasser vor Hooksiel sicher verpassen würden. Als wir dann Ende der zweiten Nacht die Jadefahrrinne vor Wangerooge erreichen sind wir etwas zu früh. Wir setzen die Fock und lassen uns vom auflaufenden Wasser in die Jade ziehen. Um die Zeit bis zu Hochwasser zu überbrücken segeln wir bis zum Jadeport. Mittlerweile ist unser Begrüßungskommite (Steffi) angekommen, als wir beflaggt über Topp und Takel in den Vorhafen von Hooksiel einlaufen. Sonst ist so früh am Sonntagmorgen hier nichts los.
Bald geht die Schleuse für uns auf und wir verholen an den angemeldeten Steg bei der Werft.
Avalon ist zum ersten Mal in deutschen Gewässern und soll in ein paar Wochen für den Winter eingemottet werden. Unser Abenteuer der Atlantiküberquerung in beide Richtungen mit dem Aufenthalt in der Karibik und den USA ist vorbei. Stolz und Müde von den knapp 2000 Sm seit den Azoren fahren wir heim, um die ganzen Geschehnisse langsam aufzuarbeiten. Mal sehen, auf welche neuen Ideen wir in ein paar Monaten dann kommen…