Weite Strecken unter Motorkraft zurück zu legen, ist mir ja ein Gräuel, da wir schließlich ein Segelboot haben. Aber die jetzige Situation lässt kaum eine andere Lösung zu. Die nächsten Tage soll heftiger Wind aus Südwest kommen, dass hieße für uns von vorn. Und das möchte ich uns, insbesondere Steffi nicht antun.
Und noch länger hier hinter unserem Zeitplan zurück zu bleiben, ist auch keine Option. Also geht es relativ spät in Brindisi los und mit Einbruch der Dunkelheit sind wir am äußersten Ende der Stiefelhacke. Plötzlich schießt ein schnelles Motorboot auf uns zu. Zudem hat es einen großen Scheinwerfer auf uns gerichtet. Schnell wird klar, dass die Küstenwache uns wohl kontrollieren will. Nach einer Ehrenrunde kommen sie langsam von hinten an uns heran. Aber es ist nichts auf Funk von denen zu hören. Sie bringen große Fender aus und wir befürchten, dass die bei dem Seegang an uns heran wollen. Aber nach ein paar Fragen von Bord zu Bord sind sie zufrieden und glauben uns, dass wir keine Flüchtlingshelfer sind.
Nach 130 Sm sind wir nächsten Morgen in Crotone, was wir schon von 2014 her kennen. Wir machen am Lega Navale Steg fest und melden uns an. Nach unserem Geschmack bietet Crotone nicht viel, deshalb beschränken wir uns auf Ausschlafen und Bootsarbeiten. Der Plan vor der Abfahrt aus Brindisi war, dass wir den Gegenwind in Crotone abwettern wollten, um danach mit Rückenwind den Rest der Strecke bis zur Straße von Messina zu meistern. Doch dieser Wind ist nach Steffi´s Geschmack etwas zu heftig. Deshalb dauert es bis späten Nachmittag, bis er sich etwas gelegt hat und wir los können. Doch schon bald ist es dann mit der Herrlichkeit vorbei, denn er schläft komplett ein. Also wieder den Diesel an. Gegen Mitternacht kommt dann wieder Wind auf, der nun aber von vorne weht und immer mehr zunimmt. Wir müssen reffen und der immer höhere Seegang lässt die Fahrt zusehends ungemütlicher werden. An der Stiefelspitze in Sichtweite des Ätna ist abermals Windstille. Erst in der Einfahrt zur Straße von Messina können wir wieder hoch am Wind segeln. Auch hier werden wir von der Coast Guard mittels Hubschrauber kontrolliert.
Unser nächstes Ziel ist Reggio di Calabria, gegenüber von Messina. Wir machen in einem Fährhafen fest, welcher abseits der Stadt in einer herunter gekommenen Gegend liegt. Hier werden wir schon bald von Salverio angesprochen, einem 83 jährigen urigen Italiener, der sogar schon in unserem englischen Hafenbuch Erwähnung findet. Seit 40 Jahren versucht der alte Seebär sein Einkommen damit zu machen, dass er Segler wie uns hier versort. Taxifahrten in seinem alten Mercedes W124, Wäscheservice, Reparaturen, Verkauf lokaler Köstlichkeiten, Beratungen aller Art. Uns empfiehlt er eine Trattoria ganz in der Nähe, sehr gute Hausmannskost und kein Touristennepp. Wir willigen für 20 Uhr ein, zumal er sympathisch ist und auch im Handbuch empfohlen wurde. Doch um 8 Uhr ist keiner da. Wir machen uns zu Fuß nun auf den Weg in die Stadt. Schon bald hält neben uns Salverio mit seinem uralten Benz. Er will uns zu der Trattoria bringen. Die zeigt er uns auch im Vorbeifahren hält aber nicht an, sondern fährt mit uns immer weiter. Als wir in einer seltsamen Gegend, ähnlich eines ärmlichen Gewerbeareals vor einem Eisentor anhalten, fragen wir uns schon, worauf wir uns hier wohl eingelassen haben. Wir fahren runter ans Wasser, dort hat er eine alte Garage, in der er alles mögliche repariert, aber auch seinen selbst gemachten Wein und Käse lagert und auf der anderen Seite der Garage einen Zugang zur Straße von Messina hat. Von dort aus hat man einen herrlichen Blick auf Sizilien. Wir wollen wissen, ob er hier auch geboren wurde, was aber an den mangelhaften Italienischkentnissen unsererseits bzw seinen kaum vorhandenen in Englisch scheitert. Ich hätte ihm sonst gern gesagt, dass vor 76 Jahren mein Vater im Krieg auch schon hier war und als einer der letzten über die Straße von Messina nach Reggio evakuiert wurde. Vielleicht hätte er sich ja an die Zeit erinnern können.
Wir 3 trinken seinen Weißwein, der Steffi und mich fast aus den Schuhen haut. Ob es am Alkoholanteil oder unserer schlechten Form liegt wissen wir nicht. Er jedenfalls steigt ins Taxi als wenn nichts gewesen wäre. Natürlich kaufen wir noch etwas von seinem Schafskäse ohne zu wissen was der kostet. Auf meine Frage „Quanto?„ kam nur die Antwort „two Milliards“. Noch eine Flasche Wein wird eingepackt, für´s Abendessen gleich im Lokal !!! Is klaaar….;-)
Die Trattoria ist natürlich eine ganz normale, mit Standardkarte und üblichen Preisen. Aber auch die Wirte wissen unseren Opa richtig einzuschätzen und witzeln über seine crazy Art und Weise. Wir sitzen hier mit diversen anderen Opfern seiner Überredungskünste und haben viel zu lachen darüber. Zuletzt bringt er uns zusammen mit 2 netten Italienern zurück zu unseren Booten. Erst dort wird abgerechnet. 40€ für 2 Flaschen Wein einen großen Käse sowie die Taxifahrten sind okay. Am nächsten Morgen liegen dann auch noch 2 Croissants in einer Tüte bei uns auf dem Achterschiff. Alles inklusive :-)
Von Reggio geht es Richtung Norden heraus aus der Straße von Messina. Starke Strömungen mit Turbulenzen, sowie starker Fährverkehr und ein Verkehrstrennungsgebiet für die großen Pötte macht die Navigation hier etwas interessant. Aber halb so schlimm, wie es im Handbuch beschrieben steht. Interessant hingegen sind die Fangboote, mit denen den Schwertfischen nachgestellt wird. Diese Fische leben in tieferen Gewässern des tyrrhenischen Meeres und des ionischen Meeres. Bei ihrer Wanderung durch die Straße von Messina müssen sie aber aufsteigen. Auch durch die starke Strömung kommen sie fast an die Oberfläche und sind somit für die Fischer sichtbar. Mehrere Männer stehen im Aussichtskorb hoch oberhalb der Wasseroberfläche, während einer, weit vorn im extrem ausladenen Bugspriet sitzt und den Schwertfisch harpunieren soll. Diese Spezialboote sind auch sehr schnell, um somit dem Fisch nachfahren zu können, damit der Harpunist über den Fisch kommt. Einen Fang konnten wir nicht beobachten, wohl aber einen kompletten erlegten Schwertfisch später in einem Lokal auf den Liparischen Inseln.
Wir lassen den Wind entscheiden, was unser nächstes Ziel wird. Nach der Vorhersage sollte dies Tropea am Festland sein. Der Wind entscheidet aber anders und wir segeln zu den Liparischen Inseln. Zum Sonnenuntergang kommen wir an der Südspitze der südlichsten Insel Vulcano an. Hier legen wir uns bei einem Strand mit schwarzem Lavasand vor Anker.
Nach einer ruhigen Nacht verholen wir Mittags zum Hauptort von Vulcano 4 Sm nördlich. In die Marina dort können wir aber erst ab 14.30h also geht es weiter zu einer Bucht auf der Westseite der Insel, da für die nächste Nacht Südostwind angesagt ist. Dort hält unser Anker auch schnell an einem der wenigen freien Plätze. Stunden später, wir hatten uns schon für die Nacht hier vor Anker entschieden, kommt ein Katamaran dicht hinter unser Heck und fischt eine, für uns nicht erkennbare Muringleine unter der Wasseroberfläche und macht sich fest. Somit liegen die nun in unserem Swojkreis und ich spreche den Skipper darauf an. Der zuckt nur mit den Schultern und sagt, dies wäre halt der Ort für die Muring und basta. Streit und Palaver würden sich eh nicht auszahlen, deshalb funken wir die Marina vom Mittag an und fragen, ob unsere Reservierung noch besteht. Wir bekommen die Bestätigung und machen eine halbe Stunde später dort fest. Es folgt eine nervige Nacht in heftigem Schwell, der Avalon permanent an den Leinen reißen lässt und nur durch intensives Abfendern können wir Schäden an unserem und den Nachbarbooten verhindern.
Heute soll es früh hoch zum Vulkankrater gehen. Mit Wasser und dem Nötigsten bepackt geht es die steilen und staubigen Kilometer hinauf. Der einstündige Aufstieg wird von Steffi weit leichter verkraftet als von mir. Werde ich doch langsam alt? Am Krater angekommen bietet sich uns eine tolle Aussicht auf die Inselwelt rund herum. Auch die schwefelhaltige Luft, die aufsteigenden Rauchschwaden und die unwirtliche steinige Umgebung sind beeindruckend. Zu Steffi´s Ärger lösen sich an beiden Wanderschuhen die Sohlen. Gleiches ist mir mit meinen vor 2 Jahren auch widerfahren. Die Dinger haben wohl ein definiertes Verfallsdatum. Somit ist an einen weiteren Aufstieg zum nördlichen Kraterrand nicht zu denken. Hoffentlich halten die Sohlen noch den Abstieg aus. Als wir die letzten Meter in Angriff nehmen fallen sie letztendlich ab. Das ging noch mal gerade gut…. ;-)
Wir legen ab, mit dem Ziel Lipari, der nächsten nördlicher gelegenen Insel. An den Stegen vor dem Hauptort steht aber auch so viel Schwell, dass wir, mit der Erfahrung der letzten Nacht, uns das nicht nochmal antun wollen. Also segeln wir weiter bis zu einer Bucht an der Nordseite der Insel. Hier gehen wir vor Anker. Entweder wollen wir über Nacht bleiben oder aber nur etwas Essen, Schlafen und dann gegen Abend zur Insel Stromboli weitersegeln, um danach zum Festland nach Tropea zu fahren.
Das Letztere tritt schließlich ein. Der Schwell nimmt auch in dieser Bucht zu, weswegen wir uns auf den Weg über Pantarea zum Stromboli machen. Mangels Wind motoren wir durch die hohe Dünung. Mit dem letzten Büchsenlicht passieren wir die Insel der Megareichen, Pantarea. Hier liegen mächtige Yachten vor Anker und was wir noch von der Insel erkennen können zeugt von prall gefüllten Brieftaschen.
Schon von Weitem können wir die Eruptionen des Stromboli auf der Nordwestseite der Insel erkennen. Mehrmals stündlich zischt eine hohe Flamme an der Flanke des Vulkans in die Höhe, mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Kurz nach Mitternacht sind wir bis auf 1 Seemeile heran und können den Verlauf des Tals der Flammen sehr schön sehen. Dort ist ein immer währender Lavafluss erkennbar, der vom Krater bis hinunter ins Meer verläuft. Nachts umso beeindruckender, da man Feuerbälle den Hang hinunter purzeln sieht, bis sie im Wasser verschwinden. Als wir den Motor abstellen können wir jedes Mal hören, wenn sich die nächste Eruption ankündigt. Ein dumpfes Grollen im Berg geht dem Zischen und dem Donner des Ausbruches voraus. Hin und wieder ist dies einer Explosion vergleichbar, wenn Feuermassen aus dem Berg geschleudert werden und wie bei einem Feuerwerk große leuchtende Lavabrocken viele hundert Meter weit durch die Luft gewirbelt werden.
Wir können uns fast nicht losreißen, so beeindruckend ist das Ganze. Wir umrunden die Insel nördlich, um direkten Kurs auf Tropea zu nehmen. Dabei haben wir den Stomboli vor dem Vollmond stehend, was wiederum einen schönen Anblick liefert, mit den Aschewolken im Mondlicht.
Die zweite Hälfte des Weges nach Osten können wir mit Raumschotwinden segeln. Allerdings sind die Gewitter um uns herum sehr beängstigend. Auf dem Radar lassen sich die einzelnen Zellen sehr gut identifizieren. Sobald wir in einer sind, gibt es sogleich ordentliche Böen und zumeist auch starke Schauer. Die größte Gefahr geht jedoch jedes Mal von eventuellen Blitzeinschlägen aus, die unsere Elektronik an Bord zerstören könnten.
Wie geplant kommen wir aber gegen Sonnenaufgang heil vor Tropea an. Allerdings pustet es zu diesem Zeitpunkt mit über 25Kn so heftig, dass ich es nicht wage, die zum Versanden neigende Hafeneinfahrt anzusteuern. Wir machen uns schon auf den Weg zum nächsten Hafen, 11 Sm entfernt, der bei jedem Wetter zu erreichen ist.
Doch plötzlich hat jemand den Schalter gefunden, um den Wind abzustellen. Die Welle wird augenblicklich auch weniger, sodass wir die Passage der flachen Stelle wagen. Ohne Probleme laufen wir um 7 Uhr den Hafen von Tropea an. Auf unsere Funkansprache gibt es keine Antwort, deshalb suchen wir uns den Liegeplatz aus. Wir fallen sofort in den Schlaf und wachen erst 6 Stunden später wieder auf.
Tropea ist ein sehr schöner Ort hoch oben an einer Steilküste. Ein wahres Urlaubsparadies im Grünen. Von der Stadt hat man einen herrlichen Blick runter auf den schönen Sandstrand, an dem sich mittelgroße Wellen brechen. Die lebendige Stadt ist geprägt von alter Bausubstanz, vielen Restaurants, Eisdielen und Geschäften zum Shoppen. Hier laden wir unsere Akkus wieder auf, bevor es weiter geht Richtung Norden.