Mai

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Um 9 Uhr morgens hebt sich unser Anker aus dem weißen Sandgrund und wir verlassen diese schöne, wenn auch überlaufene Bucht an den vielen Katamaren vorbei durch die Riffpassage. Anfänglich haben wir so wenig Wind, dass wir erst nach 4,5 Std den Parasailor setzen können. Mit langsamer Fahrt geht es Puerto Rico entgegen. Da über der US Insel dunkle Wolken hängen, nehmen wir für die Nacht unseren bunten Riesen runter und segeln mit Groß und Fock weiter. Dass die Entscheidung goldrichtig ist, merken wir schon bald.

Der Wind nimmt plötzlich weiter ab und kommt aus Nord, um kurz danach auf West zu drehen, also fast gegenan. Wir reffen gerade rechtzeitig das Groß, denn schon bald kriegen wir 15-18kn auf die Nase. Die Rauschefahrt dauert eine knappe Stunde, dann wird es wieder ruhiger und der Wind dreht wieder auf südliche Richtungen. Erst gegen Morgen dreht er dann wieder auf ESE und nimmt ab, sodass wir den Parasailor wieder hochziehen. Den Samstag über wird nur gesegelt. Als gegen Abend der Wind weiter auffrischt kommen wieder Groß und Fock zum Einsatz. Mittlerweile sind wir nördlich der Dominikanischen Republik und kommen gut voran. Als der Wind wieder südlicher weht, halsen wir auf Steuerbordbug, um weiter parallel zur Küste zu segeln. Dass hin und wieder etwas Wasser im Motorraum steht, ist für uns schon fast normal. Es kommt offensichtlich aus der leckenden Wellenabdichtung (früher Stopfbuchse). Diese Dichtung soll verhindern, dass zwischen der sich drehenden Propellerwelle des Antriebes und dem starren Stevenrohr, durch welches die Welle ins Bootsinnere zum Motor geführt wird, Wasser eintritt. Bei Motoreinsatz war dies nicht zu 100% dicht, wohl aber hatten wir beim Segeln nie Probleme damit. Das ist nun anders. Während der fast 40 Std Segelei haben wir nicht in den Motorraum geschaut. Jetzt ist der Schreck groß, da große Mengen Wasser dort hin und her schwappen und auch die Bilge gut gefüllt ist. Ich installiere sofort die bereit liegende elektrische Notpumpe und lenze den Motorraum. Auch die Bilge wird mit den dort installierten Pumpen leergepumpt. Aber damit ist das Problem ja nicht gelöst, denn ca 3-4 Liter Wasser fließen stündlich wieder nach. Wir pumpen alle 2-3 Stunden regelmäßig den Motorraum aus und überlegen wie und vor allem wo wir die notwendige Reparatur durchführen lassen können. Für diese Arbeit ist es notwendig das Boot aus dem Wasser zu heben und Kräne sind in diesem Teil der Welt Mangelware. Da wir in diesem Revier auch keine Internetverbindung haben, nehme ich über meine Funkanlage per E-mail Kontakt mit Uwe und Klaus auf, mit der Bitte für mich Alternativen zu recherchieren. Es bleiben letztlich nur 2 Möglichkeiten. Entweder wir fahren fast 200 Sm zurück gegen den Wind, um in Puerto Rico mit unserem US Visum einzureisen oder die etwas weitere Strecke bis nach Providencials (Provo genannt) weiter zu fahren und zu hoffen, dass auf dieser Insel der Turks and Caicos ein Ersatzteil auffindbar / bestellbar ist und der Kran uns aus dem Wasser heben will. Die Nerven liegen etwas frei aber wir entscheiden uns für das Weiterfahren. Es wird eine aktion-reiche dritte Nacht. Ständig Wasserstand kontrollieren und Abpumpen, passende Segelstellung für den frischen Wind (20-24 kn) und die konfusen Wellen finden usw.

Der nächste Morgen bringt uns ruhigere Bedingungen. Als der Wind einschläft machen wir ängstlich den Motor an. Wir befürchten, dass der Wassereinbruch nun größer wird. Das Gegenteil ist der Fall. Nach einiger Zeit sich drehender Propellerwelle kommen nur noch Tröpfchen Seewasser durch die Dichtung. Eventuell hat sich nach dem Einlaufen mein Reparaturversuch Fett in die Dichtung zu pressen als hilfreich erwiesen.

Ohne weitere Probleme erreichen wir die südlichste der Turk-Inseln, Sand Cay. Dies ist eine unbewohnte, sehr karge Insel. Ähnlich wie bei uns die Insel Mellum, eher ein großer Sandhaufen auf dem viele Seevögel brüten und Naturreservat. Unser Anker fällt an der Westküste bei 3m direkt am weißen Strand. Um, wie immer, den Halt des Ankers zu kontrollieren gehe ich ins Wasser und sehe direkt neben der Leiter unter unserem Rumpf einen großen Barrakuda, der mich mit großen Augen bewegungslos anschaut. Der reagiert auch nicht, als ich etwas auf ihn zu schwimme. Ganz geheuer sind mir diese Kameraden ja nicht. Bis auf ihn und die vielen Seevögel sind wir hier aber absolut allein. Wir genießen unser Ankunftsbier, machen uns ein leckeres Abendessen und genießen die Ruhe nach den doch aufregenden letzten Tagen auf See.

Morgens fahren wir dann nicht nach Grand Turk zum Einklarieren, sondern nach South Caicos. Die Turk Inseln sind in Nord-Südrichtung in Linie angeordnet und werden durch die sogenannte Columbuspassage, eine mehrere tausend Meter tiefe Rinne (Zugbahn tausender Wale im März/April) von den Caicos Inseln getrennt. Die Caicos sind viele Inseln, davon ca. 10 größere, welche kreisförmig und mit vorgelagerten Riffen die große Caicosbank umsäumen. Diese große Sandbank hat zwischen 5 bis 0 Meter Wassertiefe und ist etwa 50 Seemeilen im Durchmesser groß. Nachdem der Anker erst bei der zweiten Position ordentlich sitzt (auf nur 2,5m Tiefe), fahren wir mit dem Dinghi zum Einklarieren. Es ist unglaublich heiß hier und wir bekommen einen Schock, als wir in die heruntergekühlten Räume des Amtes eintreten. Nach ein paar Minuten gewöhnt man sich aber daran und genießt die angenehmen Temperaturen drinnen. Die ansonsten netten Ladies vom Amt sind not amused, dass ich versäumt hatte mich vorab per Internet anzumelden. Nach etwas Gezeter ist dann doch alles in Ordnung und wir können mit unseren Stempeln im Pass von dannen ziehen. Den Hitzeschlag draußen überwindend geht es per Dinghi zum Anleger im Hafen. Auf die Frage hin nach einem Supermarkt, haben wir Rian gewonnen, der uns nun die ganze Zeit begleitet und über die Häuseransammlung im Ort informiert. Uns ist schon klar, dass er später eine Entlohnung dafür erwartet, womit er sicherlich neuen Alkohol kaufen wird (eine Flasche scheint er vor uns verstecken zu wollen). Weit verstreut an staubigen Straßen liegen die wenigen Häuser des Ortes, in dem nicht wirklich was los ist. Nur ein junger Prediger schreit permanent in sein Mikrofon und beschallt per Lautsprecher den Ort mit seinen Weisheiten und kirchlicher Popmusik. Nachdem wir für viel Geld den Internetzugang, einige Lebensmittel und Rians Dienste bezahlt haben lassen wir uns am Hafen noch einen Grouper für 18$ filetieren und fahren zurück zum Boot. Der Fisch schmeckt uns am Abend hervorragend. Wegen unserer Leckage und anderen Problemen wollen wir nach Provo, also vom Ostrand der Bank hoch zum Nordrand. Die Windvorhersagen für die nächsten Tage machen uns wenig Hoffnung für ein entspanntes Segeln die über 70 Sm um die Bank herum. Daher entschließen wir uns, bei Windstille die 50 Sm direkt über die Caicos Bank unter Motor zu fahren. Im Törnführer sind einige Routen beschrieben, die allerdings nicht betonnt, oder wie an der Nordsee mit Priggen gekennzeichnet sind. Wohl wissend, dass es sehr flach werden wird, fahren wir früh morgens mit einer gehörigen Anspannung los. Avalon hat einen Tiefgang von 1,90m und inzwischen durch viel Ausrüstung, Proviant usw sicher 20cm mehr, also 2,10m. Bei Niedrigwasser, was wir gegen Mittag haben werden, ist an den flachen Stellen 2m – 2,50m in den Karten ausgewiesen. Doch nicht nur das ist unsere Sorge. Auch müssen wir ständig nach Riffen, Steinen usw. Ausschau halten. Bei der richtigen Sonneneinstrahlung von oben und von hinten ist dies einfacher, da die dunklen Stellen sich gut vom Türkis der restlichen Wasserwüste abheben. Das erste Drittel der Strecke ist relativ problemlos. Dann jedoch kommen wir kurz vor Niedrigwasser in die flacheren Gegenden. Mit wenig Fahrt im Schiff bewegen wir uns um die dunklen Stellen herum, immer ein Auge auf das Wasser gerichtet und eines auf den Tiefenmesser. Anfänglich werden wir schon bei 2,4m Loggenangabe nervös. Später, wenn nur noch flachere Stellen angezeigt werden ist 2,4 und 2,5m für uns Entspannung und Grund wieder schneller werden zu können. So haben wir also teilweise nur 2m oder gar 1,9m auf der Anzeige und ich gehe ins Wasser um zu überprüfen, ob wir schon über Grund scheuern. Im kristallklaren, über 30 Grad warmen Wasser sehe ich überall um uns herum Seesterne und viele neugierige Fische und mit Erleichterung, dass wir immer noch fast einen halben Meter Wasser unter dem Kiel haben. Mit der Erkenntnis, dass unser Tiefenmesser nicht akkurat kalibriert ist und die Angabe 2m für uns 2,5m bedeutet, lässt sich entspannter weiterfahren. Am Nachmittag kommen wir vor der Einfahrt zur Marina an und versuchen Kontakt aufzunehmen. Doch leider antwortet niemand auf Kanal 16 und auch per Telefon geht niemand ran. Erst später, als wir schon fast bei dem 1 Std entfernten Ankerplatz angekommen sind, können wir uns per Telefon für den nächsten Tag anmelden. Meine Nachfrage, ob die Einfahrt tief genug für uns ist, wird positiv beantwortet. Als wir tags darauf 2 Stunden vor Niedrigwasser uns vorsichtig Richtung Sandbank vor der Hafeneinfahrt bewegen, bekommen wir abermals die Aussage es wäre kein Problem. Obwohl wir nach der gestrigen Erfahrung inzwischen abgehärtet sind, was die Anzeige unseres Tiefenmessers anbelangt, gibt es doch einige Adrenalinschübe, als nur noch 1,4m auf der Anzeige erscheinen. Vorsichtig schieben wir uns über die Sandbank und sind bald im etwas tieferen Hafenbecken. Ohne viel Platz zum manövrieren legen wir uns längseits an den Hauptsteg. Eine halbe Stunde später kommt ein kurzes Gewitter und wir sind froh festgemacht zu haben und nicht bei dem Wetter auf der Sandbank vorm Hafen fest zu sitzen.

Die Tage (38 Grad im Salon) und Nächte ( kaum unter 30 Grad) hier auf den Caicos sind sehr heiß und schwül und wir müssen uns ab Dämmerung bis zum nächsten heißen Tag mit Mückennetzen im Schiff vor Mosquitos und Sandflies schützen. Die meisten Menschen hier sind eher desinteressiert und haben das Arbeiten nicht erfunden. Viele kommen aus Haiti und sind auf der Werft, als Reinigungskräfte und andere einfache Jobs engagiert. Aber auch der Dockmaster sowie der Werkstattleiter im Shipyard sind Haitianer und gut in ihren Jobs. Die für die Reparatur notwendige neue Stopfbuchse können wir auf der Insel nicht auftreiben. Der Versand aus den USA oder über SVB von zuhause ist zu langwierig und zudem unsicher, da oft Pakete zu den Turks ganz woanders landen. Daher entschließen wir uns, mit der schadhaften Stopfbuchse weiter zu fahren. Wir wollen den Motor nochmals genau ausrichten und die Dichtung gut mit Fett schmieren. Damit sollten wir problemlos bis nach Florida kommen. Unsere Ankerwinsch wurde nochmals von dem Werkstattleiter inspiziert und gereinigt. Nun läuft sie wieder normal schnell. Auch kann ich den, auf den BVI gekauften, nicht passenden Reservewinschmotor gegen einen passenden gebrauchten tauschen. So hätten wir Ersatz, sollte die Ankerwinsch dennoch den Dienst quittieren.

Für unsere Besorgungen mieten wir uns ein Auto und fahren damit auch die ganze Insel ab. Wohl inzwischen total überflutet mit Eindrücken von anderen karibischen Inseln sind wir nicht begeistert von Provo im speziellen und den Caicos im allgemeinen. Ja, hier gibt es herrlich klares, türkisfarbenes Wasser, wunderbar weiße Sandstrände, sicherlich die tollsten Tauchspots aber sonst ist es doch eher karg, erscheint ungepflegt und schmutzig und auch etwas trostlos. Wenn wir morgen Richtung Bahamas aufbrechen haben wir die ruhige Zeit hier in der Marina zur Auffrischung unserer Kräfte genutzt, sind aber auch froh, die weniger schönen und heftig teuren (z.B. Butter 6$, 1 Zitrone 1$ usw) Caicos wieder zu verlassen. Nach einer Woche Turks and Caicos wird ausklariert und ich bin nicht einmal dazu gekommen einen Tauchgang zu machen, obwohl die Tauchboote direkt neben uns am Steg ablegen….

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