Mrz

11

Zum Abschied steht Jonathan am Steg und wirft uns die Leinen los. An den vielen Kreuzfahrtschiffen vorbei geht es hinaus auf den Atlantik. Bei wenig Wind gegenan motoren wir nach Süden, um möglichst viel Höhe zu machen, bevor es dann über den Golfstrom gehen soll.

Wir halten es uns auch noch offen, bei schlechten Wetterverhältnissen, in Fort Pierce eine letzte Nacht in den USA zu verbringen. Nach 35 Sm, mehr als der halben Strecke bis Fort Pierce, entscheiden wir uns dagegen und setzten die Segel, um hoch am Wind Richtung Bahamas zu segeln. Am wärmer werdenden Wasser und am Versatz in nördliche Richtung merken wir bald, dass wir im Golfstrom sind. Auch portugiesische Galeeren sichten wir im Wasser. Dies sind quallenähnliche Tiere, die viele Meter lange giftige Tentakel nachziehend eine Art Segel aufspannen und sich vom Wind über das Wasser treiben lassen. Anfangs denkt man, da würde eine Plastiktüte schwimmen.
Nach Einbruch der Dunkelheit habe ich die erste Freiwache, muss diese aber früher abbrechen, da wir inzwischen soweit vom Kurs abweichen (auch durch Drehung des Windes), dass wir vom Golfstrom fast direkt nach Norden getragen werden. Auf Gegenkurs kämen wir gegen den Strom nicht an, müssen also unter Motor weiter. Nun beginnt eine wahre Achterbahnfahrt über viele Stunden. Die See ist so konfus, dass wir keinen für uns akzeptablen Kurs finden, der nicht mit Eintauchen in die Wellen und lautem Knallen in die Wellentäler verbunden ist. Avalon und wir erleiden viele heftige Erschütterungen, Wasser und Gischt kommt über und schlafen fällt bei diesen Bedingungen schwer. Die Fahrt ist so heftig und für uns ungewohnt, dass sogar ich erste Anzeichen von Seekrankheit bekomme. Aber es gibt keine sinnvolle Alternative, als diesen Kurs weiter zu fahren. Auch müssen wir oft der Berufsschifffahrt ausweichen, da wir unter Motor ja nicht mehr den Vorrang wie unter Segeln genießen. Hier, nördlich der Bahamas, verläuft eine der Hauptrouten von den USA nach Europa und Afrika. Erst am frühen Morgen beruhigt sich die Gesamtlage wieder nachdem der Wind abflaut und wir nicht mehr die Ausläufer des Golfstroms merken.
Wir steuern schon bald die Passage durch die Korallenriffe bei Walkers Cay an. Die Durchfahrt zwischen sich brechenden Wellen an den Riffen ist nicht sonderlich schwierig und schon bald befinden wir uns in sehr flachem Wasser, wie wir es schon von den Exumas kennen. Diese Ansammlung von kleinen und größeren Inseln hier heißt Abacos. Der frühere Einklarierungsort Walker Cay ist nach dem letzten Hurrican verwüstet und seine Marina nicht mehr in Betrieb. Daher ist unser Ziel die Nachbarinsel Grand Cay. In deren Hafen passen wir mit unserem Tiefgang nicht hinein. Daher ankern wir bei vorherrschendem und auch vorhergesagtem Südwind in Wells Bay, einer nach Westen und Süden gut geschützten Bucht. Kurz vor Sonnenuntergang zieht ein Gewitter auf und der Wind dreht auf Nord. Die anderen 2 hier ankernden Boote verlassen die nach Norden ungeschützte Bucht, um im Süden von Grand Cay die Nacht zu verbringen. Da wir, bei nun Niedrigwasser, Probleme sehen den Weg dorthin mit unserem Tiefgang zu bewältigen und nach Durchzug des Gewitters keinen Nordwind mehr erwarten, bleiben wir. Es folgt eine ruhige Nacht. Unsere Einschätzung war also richtig.

Am Folgetag fahren wir bei auflaufender Tide durch das flache Nadelöhr, wo es dann doch nicht so flach ist aber ordentliche Strömung uns entgegen steht. Nachdem unser Anker sicher liegt machen wir uns mit dem Dinghi auf, um Einzuklarieren. Dafür müssen wir über ganz flaches Wasser in den „Hafen“ des 200 Seelen Ortes und lassen uns erklären, wo das Amt ist. Beim Anlegen am Steg schwimmt auch gleich ein Begrüßungshai unter dem Dinghi durch. An Land werden wir von sehr freundlichen Leuten angesprochen, ob wir Hilfe bräuchten. Man sagt uns, dass der Zollbeamte gerade beim „Flughafen“ ist und dort seine Arbeit macht. Er würde bald zurück sein. Auf Nachfrage, wo denn hier eine Apotheke oder ähnliches sei erfahren wir, dass lediglich eine Krankenstation uns behilflich sein könnte bei der Linderung des juckenden Ausschlages an Steffi´s Händen. Man beschreibt uns den wirklich nicht so langen Weg dahin. Wir haben uns noch gar nicht in Bewegung gesetzt, da kommt schon ein Golfcart daher mit einem Angestellten der Klinik. Unsere „Bekannten“ haben ihn angerufen und er fährt uns wie selbstverständlich durch den kleinen Ort zur Klinik. Überall wird freundlich gegrüßt und gewunken. Patrick, der ebenfalls sehr freundliche behandelnde Arzt, fragt nach dem Ansinnen und macht dann eine ausgiebige Untersuchung, bevor er dann eine Cortisonsalbe aushändigt und uns alles Gute wünscht. Eine Bezahlung lehnt er ab.

Auch für den Rückweg sind wir Gast auf dem Golfcart. Am selben Ort, wo wir abgeholt wurden, steht inzwischen auch der Zollbeamte bei unseren „Bekannten“ im Gespräch. Wir folgen ihm ins Office und müssen dort gestehen, dass wir die vorbereitende Einklarierung per Internet nicht gemacht haben. Etwas säuerlich nimmt er unsere Entschuldigung, wir hätten noch keinen Internetzugang, zur Kenntnis und bietet uns an, seinen Computer dafür zu nutzen. Ehrlich gesagt, hätte ich es wissen müssen, dass es diese Internetanmeldung gibt und sie schon in Florida durchführen können. Ich hatte es schlichtweg vergessen. Im Laufe der nächsten 2 Stunden (solange brauchen wir für das Prozedere) wird der Beamte immer freundlicher und verabschiedet uns mit einem breiten Lächeln.

Die benötigte SIM Karte für den Telefon- und Internetzugang bekommen wir hier nicht. Wir sollen es auf Spanish Cay oder Green Turtle Cay versuchen, so die einhellige Meinung unserer „Bekannten“. Am Abend vor der Weiterfahrt statten wir der Nachbaryacht „Millenium III“ aus Cape Canaveral einen Besuch ab, da wir uns gerne Wetterinformationen für die folgenden Tage geben lassen wollen. Das Segelboot, eine Hunter 50, hatten wir zuvor schon in unserer Cape Marina gesehen. Adriana und Morvan laden uns sehr freundlich ein, an Bord zu kommen und ihr Starlink zu benutzen. Am Folgetag sind wir dann schon überrascht, als sie uns entgegen ihrer Pläne vom Vorabend im Kielwasser folgen. Auf der über 40 Sm langen Fahrt unter Motor über die Abaco-Bank nehmen wir Funkkontakt auf und verabreden uns in der Crab Cay, wo sie übernachten wollen. Nach kurzer Rast und einem Snack zu Mittag verholen wir allerdings in die Spanish Cay Marina, um dort eventuell die SIM Karte zu erstehen und den Starkwind der nächsten Tage abzuwettern.

Nach dem Anlegen werden wir mit einem Fingerzeig direkt darauf hingewiesen, hier nicht ins Wasser zu fallen. Wir schauen dem Finger hinterher und sehen unter uns diverse Haie verschiedener Größe. So teuer wie befürchtet sind die Marinagebühren nicht. Dafür schlägt das wirklich total leckere Abendessen eine etwas tiefere Kerbe in die Bordkasse. Wir genehmigen uns Conchsalat, Conchsuppe, Grouper und Lobster, hhmmmm. Die SIM Karte bekommen wir allerdings auch hier nicht. Am nächsten Morgen stehen Morvan und Adriana am Steg. Sie mussten dringend Wasser und Diesel tanken, fahren dann aber wieder weiter. Nach einer weiteren Nacht in der Marina segeln wir am nächsten Tag nach Green Turtle Cay. Es ist ein herrlicher Segeltag bei 13 Knoten hoch am Wind. Wir flitzen bei strahlender Sonne mit 7 kn über das flache türkisfarbene Wasser ohne Wellen. Da bekommt sogar Steffi das Lächeln ins Gesicht trotz ordentlicher Krängung des Bootes. Wegen des Tiefganges müssen wir auch hier außerhalb des Hafens ankern. Bei dem Landgang auf der Suche nach einem Shop für Telefonkarten werden wir von der Inhaberin eines Gemischtwarenladens nach einigen Telefonaten, wer denn wohl SIM Karten vertreibt, zu einer Bar am anderen Strand geschickt. Die älteren Damen dort verneinen aber diese Möglichkeit. Sie sind allerdings sofort selber wieder am Telefon und recherchieren alle Möglichkeiten, wie wir an eine Karte kommen können. Schließlich nehmen sie Kontakt auf mit einer Bekannten, die turnusmäßig alle Abacosinseln besucht, um SIM Karten und andere Dienste der Telefongesellschaft anzubieten. Diese Dame sollen wir am nächsten Morgen um 7.30h auf Treasure Cay am Fähranleger treffen. Wir bedanken uns überschwänglich für soviel Hilfe und Gastfreundschaft und gehen zurück in den Hafen, um eine Kleinigkeit zu Essen. Die Kleinigkeit entwickelt sich zu Riesenportionen, die wir gar nicht schaffen. Zwischenzeitlich stehen auf einmal unsere 2 Damen von vorher im Restaurant. Sie hatten nochmals Kontakt mit der Dame von der Telefongesellschaft. Es besteht auch die Möglichkeit, das Vorhaben in 1 ½ Std heute noch durchzuführen. Wir brauchen nur die 16h Fähre hinüber nach Treasure Cay zu nehmen und nach der Übergabe der Karten die gleiche Fähre wieder zurück. Die Damen fotografieren zudem noch unsere Pässe, damit die Formulare schon vorbereitet werden können und uns, damit die Dame am Anleger auch weiß, wen sie ansprechen soll. Fast sprachlos wegen dieser tollen Hilfestellung verabschieden wir uns abermals von den netten Damen und sehen, wie sie glücklich in ihr Golfcart (das übliche Fortbewegungsmittel auf den kleinen Inseln) steigen und verschwinden, um nochmals wieder zu kommen, am offenen Fenster fragend, ob unsere Telefone für fremde Dienste auch freigeschaltet sind. Wir können das bejahen und nehmen kurz darauf die besagte Fähre. Hauptsächlich Arbeiter sind die weiteren Passagiere auf der kurzen schnellen Fahrt hinüber. Die Übergabe und Installation der 2 SIM Karten geht zügig und bald sind wir wieder auf Green Turtle Cay und unserem Boot.

Um zu unserem nächsten Ziel im Osten, Great Guana Cay, zu gelangen müssen wir kurz wieder hinaus auf den Atlantik, da die Weiterfahrt innerhalb der Bank nur für Boote mit bis zu 1m Tiefgang möglich ist. Alle anderen Boote um uns herum haben die Segel unten und fahren diese Passage unter Motor. Wir hingegen kreuzen bei 9-11kn gegen Wind und müssen sorgsam navigieren und abpassen, dass wir die schmale Durchfahrt zwischen den mit weißer Gischt umwehten Riffen mit segelbarem Kurs erwischen. Hinaus und auch wieder hinein funktioniert das wunderbar und schon nach 15 Sm ist unser wunderschöner und aufregender Segeltag wieder zu Ende, als wir in der Fisher´s Bay vor Great Guana Cay ankern. Laut Törnführer ist die Grabber´s Bar am Strand einen Versuch wert. Wir nehmen das Dinghi und machen es direkt an dem Steg der Conch Salad Bar fest. Wegen unserer Bestellung nach einem Conchsalat springt der „Koch“ neben unserem Dinghi ins kniehohe Wasser und holt aus einer Reuse eine Conchmuschel, die er vor uns ausnimmt. Eine Amerikanerin spricht uns direkt an und erzählt, dass sie mit ihren 4 Freundinnen wegen ihres Geburtstages für 1 Woche hierher gekommen ist. Als ich berichte, dass Steffi heute Geburtstag hat, ist das Ständchen natürlich fällig. Das mit dem Ständchen wiederholt sich noch ein paar Male, da immer wieder neue Gäste auftauchen und informiert werden. Nach dem Salat marschieren wir einige hundert Meter über die Insel, um einige Einkäufe zu tätigen. Nach der Rückkehr bestehe ich darauf, unbedingt einen Cocktail (den hier berühmten Grabber) zu bestellen, der einige „Umdrehungen“ beinhaltet. Das Lokal bietet auch Übernachtungsmöglichkeiten an für alle, die es nicht mehr auf ihr eigenes Boot schaffen oder die Fähre verpassen. Bei uns ist nach einem Grabber (leider) schon Schluß und wir essen an Bord. Ich habe ja ein von mir gekochtes Geburtagsdinner versprochen.

Die 10 Sm bis nach Marsh Harbour, unserem nächsten Ziel segeln wir abermals hoch am Wind. Ankern, in der in alle Richtungen gut geschützten Bucht, ist für uns eine knappe Geschichte, da wir bei Niedrigwasser an den tiefen Stellen nur noch ca 10-20cm Wasser unter dem Kiel haben.

Am Folgetag beobachten wir auch, wie eine andere Segelyacht beim Versuch bei viel Wind zu ankern auf Wanderschaft geht und auf einem Flach auf Grund treibt. Anscheinend hofft der Skipper darauf, dass sein Anker nun hält und unternimmt nichts weiteres. Als die Tide steigt, schwimmt das Boot wieder auf und zum Glück hält der Anker wirklich. Wenn nicht, wäre das Boot sicher immer weiter auf Land getrieben worden.

Nachdem wir auf allen vorherigen Inseln nirgends ein Postamt fanden, ist es unser abermaliger Versuch im Ort einen Geburtstagsbrief für Marlene, Steffi´s Nichte, aufzugeben. Auch der ist nicht von Erfolg gekrönt, da die Post geschlossen hat und nirgends sonst Briefmarken aufzutreiben sind. Heute, am Montag, gelingt uns das endlich.

Somit können wir sagen, dass unsere erste Woche auf dem Wasser schon wieder fast alle Facetten bereit hielt. Zuerst richtig einen auf die Nase, dass man schon fast wieder denkt: sowas tue ich mir, dem anderen und dem Boot nicht länger an. Dann aber wieder „Segeln at its best“ bei fast optimalen Bedingungen, so dass das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht will. Die Komplikationen beim Einklarieren, Einkaufen usw haben uns auch wieder. Dafür dürfen wir aber auch die grenzenlose Gastfreundlichkeit und Fröhlichkeit der Einwohner genießen. Nicht zu vergessen ist natürlich der eigentliche Inhalt des Langfahrtsegelns, das ständige Reparieren des Bootes an den schönsten Plätzen der Erde. Einige Leckstellen sind zu beheben, das Funkgerät hat kurzzeitig den Dienst quittiert (die Begründung erzähle ich nicht, da das zu peinlich wäre. Ich kann zwar gut selbst über mich lachen, das wäre aber wirklich zu viel ) Der Wassermacher hat auch zwischenzeitlich gestreikt. Dafür zu den Haien ins Wasser steigen kostet etwas Überwindung. Also wie gehabt, es wird nicht langweilig….

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