Mai

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Im Vergleich zur Hinfahrt, von Ost nach West über den Atlantik im letzten Jahr, ist die Überfahrt jetzt, in Ostrichtung erheblich schlechter planbar. Es gibt nun nicht den beständigen Passatwind, der uns vor sich her schiebt. Die uns umgebenden Hochdruck- und Tiefdruckgebiete müssen genutzt werden und es stellt uns die Aufgabe, den besten Weg hindurch zu finden, um ausreichend Wind aus der richtigen Richtung aber auch nicht zu viel davon zu erhaschen, um sicher zu den Azoren zu kommen.

Wir erhalten von dem Dienstleister Wetterwelt Routings, in denen Wegepunkte mit Angaben über Wind und Welle empfohlen werden. Außerdem versorgt uns Steffi von zuhause täglich mit ihren Einschätzungen über die Entwicklung des Atlantikwetters. Auch haben wir die Möglichkeit, mithilfe unseres Kurzwellenfunkgerätes sogenannte Grib Files der jeweils näheren Umgebung mit Angaben von Wind, Welle, Luftdruck usw. zu empfangen. Zusammen mit unseren eigenen Einschätzungen von Wolken, Wellenrichtung usw haben wir somit eine ausreichend gute „Werkzeugkiste“, um unsere Segelroute dem Wetter anzupassen.

Nur wenig nördlich der Idealroute (kürzeste Strecke) segeln wir nach Ostnordost. Anfängliche Etmale von „nur“ 120-130Sm steigern sich ab dem fünften Tag auf 150-161Sm. Wir erwischen den Wind meist als Süd-, manchmal auch als Nordwind fast immer von der Seite und können auf Halbwindkurs gut segeln. Relativ schwacher Wind um 8-12kn ist damit noch segelbar. Bei achterlichem Wind können wir sogar einmal für fast 24h den Parasailor einsetzen. Gegen Mitte der Überfahrt erwischen wir den unteren Bereich eines Tiefdruckgebietes, welches uns auf seiner Zugbahn nach Nordosten mitnimmt. Gute Winde bis zu 25kn lassen uns gut vorankommen. Dieser Umstand wir allerdings mit viel Wolken und entsprechend wenig Stromertrag durch unsere PV-Module „erkauft“. Viele Delfine sind unsere sehr häufigen Begleiter. In zumeist großen Schulen kommen sie zielgerichtet zu uns, um einige Zeit mit uns zu schwimmen. Lustig ist zu beobachten, wie sie mit riesigen Sprüngen aus dem Wasser uns im Blick haben, um dann wenn sie bei uns sind unter Wasser schwimmend mit unserem Bug und dem Kiel zu spielen. Eine Delfinschule ist sehr fasziniert von dem Servoruder der Windsteueranlage. Am Heck sitzend können wir sie in 1m Abstand verfolgen, wie sie immer wieder ganz nah an das bewegliche Teil heranschwimmen und es anstupsen wollen. Ein paar Male machen sie das dann auch und weichen dann blitzschnell wieder aus. Auf das hohe Piepen der Leittiere dann verabschieden sie sich von uns und schwimmen ihren Jagdgebieten entgegen.

Wale hingegen sehen wir nur vereinzelt aus größerer Entfernung. Meist sind es die hohen Fontänen, die von ihnen an der Wasseroberfläche ausgepustet werden. Hin und wieder sieht man auch einmal den sich krümmenden Rücken, kurz bevor der Wal in der Tiefe wieder verschwindet, um in einigen tausend Meter Tiefe nach Oktopuss und anderem Tiefseefisch zu jagen.

Im Gegensatz zur Hinfahrt, als wir so gut wie niemanden unterwegs gesehen oder auf dem Radar hatten, ist der Verkehr auf dieser Route spürbar. Immer wieder haben wir Segler als AIS Signal auf dem Bildschirm, vor allem aber viele Tanker und Frachtschiffe die mit uns oder in Gegenrichtung den Atlantik überqueren. 500 Sm vor den Azoren haben wir einige Fischtrawler, die uns mit ihrem seltsamen Fahrverhalten „ärgern“. Da wir ausweichpflichtig sind, ist es immer etwas stressig wenn Fischer auf Kollisionskurs sind. Auf Funkanrufe wird entweder gar nicht oder sehr undeutlich reagiert. Plötzlich ändern die Fischer wieder ihren Kurs, um etwas im Kreis zu fahren. Wir sind immer froh, wenn wir uns dann weit von ihnen entfernen.

Nach Verlassen des Tiefdruckgebietes kommen wir immer mehr in den Einfluss eines großen Hochdruckgebietes. Der Luftdruck steigt von 1009hpa immer weiter auf 1026hpa kurz vor dem Ziel. Schließlich müssen wir für 48 Std den Motor einschalten, da der Wind fast ganz eingeschlafen ist. Die letzten 20 Std können wir dann allerdings noch einmal bei besten Bedingungen und Halbwind segeln. Wir genießen die Sonne auf dem Achterdeck und legen unsere Lieblingsmusik auf, die bei einer Rauschefahrt unser Grinsen noch mehr verstärkt. Was gibt es schöneres als mit den besten Freunden Sonne, Wind und Meer in perfekter Kombination zu erleben und dabei mit toller Musik an Deck liegend, das Törnabschlussbier zu trinken und freudig lächelnd über das Wasser zu blicken.

Die Ankunft auf den Azoren ist am frühen Morgen. Als Wachhabender sehe ich die Lichter der Insel Faial schon in der Dunkelheit. Zu Sonnenaufgang wecke ich die Freunde, damit wir gemeinsam den Augenblick des Ankommens erleben können. Wir segeln mit einem Kaffee in der Hand dem Sonnenaufgang entgegen und sind schon bald vor der Hafenmauer von Horta. An Steuerbord liegt der höchste Berg Portugals, der Pico, noch in Wolken gehüllt auf der Nachbarinsel. Wir können keinen Funkkontakt mit den Hafenbehörden bekommen und fahren in den Hafen ein. Als wir ein Segelboot aus Bremen an der Pier entdecken, legen wir uns nach deren Einwilligung längsseits. Eine halbe Stunde später sind wir einklariert und können uns die wackligen Seglerbeine vertreten. Das nette Städtchen ist überschaubar. An der Hafenmauer der Walfängerbucht essen wir regionale Tapas und trinken das Ankunftsbier. Auf dem Heimweg zum Boot kommen wir „zufällig“ am Cafe Sport (nicht) vorbei. Diese unter Seglern berühmte Lokalität, Peter´s Bar genannt, ist ein Muss für jeden Transatlantiksegler. Hier lädt uns Uwe zu einem Essen anlässlich seines 66ten Geburtstages ein, den er 5 Tage zuvor mit uns auf dem Atlantik feiern konnte. An dem Tag hat Jens ihn (uns natürlich auch ) mit allerlei leckeren Dingen bekocht. Es gab ein großes Frühstück mit Ei und Baked Beans u.v.m., Zimtschnecken und Kaffee am Nachmittag, einen leckere Cocktail (Avalon Flip) und abends leckere mit Hack gefüllte Fajitas.

In Peter´s Bar essen wir auch sehr genussvoll und kommen an den berühmten und schmackhaften Gin Tonics natürlich nicht vorbei. Vernünftigerweise gehen wir zeitig wieder an Bord, da wir für den folgenden Tag 70 Sm bis nach Terceira vor uns haben. In Horta ist kein Liegeplatz, außer Ankern im Hafen, verfügbar. In Angra / Terceira hoffe ich Avalon für ein paar Wochen liegen lassen zu können. Außerdem geht von dort aus ein Inselflieger am Mittwochmorgen nach Sao Miguel, von wo aus die 2 anderen am gleichen Abend ihren Flug nach Amsterdam besteigen wollen.

Der Südwind steht in der Passage zwischen Horta und der Insel Pico schon recht kräftig, weshalb wir nur unter Fock schon gut Fahrt machen. Am Nordwestkap der Insel bekommen wir dann eine ordentliche Düse, weswegen wir bei 34kn Wind dann auch die Fock nochmal reffen. Ein paar Meilen weiter ist dann Flaute, da wir uns in der Abdeckung des Berges befinden. Unter wechselhaften Winden geht es zwischen den Inseln Pico und Sao Jorge im Norden ostwärts. Nach Rundung des Ostkaps von Sao Jorge finden wir wieder stabilen Wind auf den letzten 30Sm bis nach Angra, wo wir pünktlich zu Sonnenuntergang eintreffen. Da der Hafenmeister nicht mehr im Dienst ist, fahren wir in einen der freien Liegeplätze und feiern das Ende gemeinsamen Segeltour über den Atlantik. Der Steg hat einen elektrischen Schließer und ohne Magnetkarte kommen wir nicht mehr zurück zum Boot, falls wir alle 3 den Steg verlassen, um in der Stadt zu feiern. Daher verbringen wir den letzten Abend gesellig an Bord und fallen zeitig müde in die Kojen. Um 9.00h holt ein Taxi meine Freunde am Hafen ab, und bringt sie zum Flughafen.

Es waren 4 herrliche gemeinsame Wochen, die ewig in Erinnerung bleiben werden.

Ich lege mich nochmals hin und werde mich später für meine mehrtägige Zeit allein an Bord einrichten….

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